ATS Buntentor – Oh süßer Schmerz....(03.04.2022)

 (ein Bericht von Ingo Susemiehl Behage)l

Deutsche Meisterschaften im Marathon am 03.04.2022 in Hannover, und ich darf dabei sein! Sowas habe ich nicht für möglich gehalten, mit Hendrik Pfeiffer, Rabea Schöneborn, Domenika Mayer und auch den in Bremen bestens bekannten Oliver Sebrantke oder dem schnellen Filimon Gazea gemeinsam an der Startlinie zu stehen.

Aber jetzt leide ich hier in klirrender Kälte und bin heilfroh, Handschuhe und noch ein Langarmshirt anzuhaben. Untenrum eine kurze Hose, aber an den Beinen frieren Läufer eh' nicht ;-). An allen anderen Körperteilen leider schon.Es ist kalt, sehr kalt. Dazu später mehr. Um 09:00 Uhr hat es ca. -2 C°, der Startbereich wird zum Glück von der Sonne gewärmt.
Der Startblock A für die Teilnehmer der DM und, natürlich, die richtig schnellen Eliteläufer ist gut gefüllt. Ich bin spät dran, vielleicht 8 Minuten vor dem Start gehe ich in den Block. Das ist aber so von mir geplant, da es so kalt ist, will ich nicht lange warten müssen. Aus den Augenwinkeln sehe ich noch Vereinskamerad Thomas Langhorst beim Warmlaufen, viel Glück wünsche ich ihm in Gedanken.

Das ich mal bei den deutschen Meisterschaften teilnehme, habe ich nicht für möglich gehalten, freue mich aber umso mehr. Im Block positioniere ich mich eher weiter hinten, möchte beim Start nicht im Wege sein, da ich in meiner Ak 55 garantiert nicht in die Top 10 laufen kann. Da entdecke ich doch meinen Lauffreund Uwe vom SV Werder Bremen, wir schnacken nett und kommen überein, das Rennen gemeinsam anzugehen und zu schauen, ob wir uns soweit wie möglich helfen.

Und dann geht es los! Wie üblich rennt die Büffelherde viel zu schnell an und das erste Km-Schild bringt mich dazu, das Tempo anzupassen. Ein paar Schlenker und wir sind auf der langen Geraden den Maschsee entlang. KM 2, immmer noch zu schnell, aber es fühlt sich ganz locker an. Jetzt zieht sich das Feld langsam auseinander, man hört auf zu quatschen und sucht seinen Rhythmus.

Bei KM 4 schließen wir auf 2 junge Damen aus Karlsruhe auf, ich frage mal was sie denn so vorhaben. 3:10 Std. würden sie anpeilen, tja, natürlich begehen wir den Fehler sie zu überholen, obwohl wir eher so auf 3:20 Std (Ich) bzw. 3:30 Std. (Uwe) aus sind. Wir bleiben aber dicht beieinander, finden zu einem gleichmäßigem Tempo und genießen den Lauf.

Dann am Ende des Maschsees eine Überraschung, Sven Eilinghoff, Vereinskamerad und unser Mann für Verbandsangelegenheiten, feuert uns an! Kurz darauf der erste Verpflegungspunkt. Ich nehme einen Becher Wasser, und was für eine unangenehme Erfahrung, das Wasser ist (natürlich) ca. 0C° kalt. Ein Schlag in den Magen kann nicht besser sein.

Wir kommen auf den ersten, 'exklusiv' den Marathonläufern vorgesehenen, Teil der Strecke, irgendwann wird es auch ganz schön eng. Später in den anderen Startwellen wird es hier sicher zu kleinen Staus kommen. Kurz nach KM 8 geht es links auf die Hildesheimer Straße, das bedeutet knapp 7 Km einfach stumpf geradeaus. Zum Glück ist der Wind noch moderat und die Sonne scheint. Nächster Verpflegungspunkt, gleicher Effekt wie beim ersten Mal. Notwendig, aber nicht schön.

Mittlerweile sind wir wieder auf der gemeinsamen Strecke mit den Halbmarathonläufern, aber die sind ja auch noch gar nicht gestartet. Ca. bei Km 30 sollen die Besten an uns vorbeiziehen. Links kommt die Gilde-Brauerei, dann ein wenig später der Aegidienplatz, fast am Start/Ziel-Bereich und das erstemal richtig Action und Anfeuerung der Zuschauer (Disclaimer: ÜBERALL waren Zuschauer die uns wunderbar angefeuert haben, aber hier waren halt ziemlich viele und auch die Leute vom NDR).

Auf der Hildesheimer Straße kamen wir auch mit Gerold und Christian aus Tübingen ins Gespräch, die beiden sind sehr starke und erfahrene Läufer aus der AK 60 und 65 Wir strebten die selbe Zielzeit an und halfen uns fortan gegenseitig. Es war sehr lehrreich zu sehen, wie sie mit anderen Läufern umgingen, die nur in ihrem Windschatten 'nassauern' wollten ;-)!

Wir kamen in den Bereich des Zoos, ein sehr schöner Teil der Strecke, ganz viel Grün aber es wurde mir auch sehr kalt. Die Finger froren langsam ein. Die Halbmarathonzeit war supi, jedoch wurde der Wind immer stärker. Und der Wind war kalt! Die nächsten 4 Km waren harter Gegenwind in eisiger Kälte ohne Sonne, da ich mal wieder mit Führungsarbeit für unsere Gruppe dran war litt ich ohne Ende.

Dann endlich ein Richtungswechsel, der Wind eher von der Seite und die Sonne war wieder da. Just als ich wieder ins Rollen kam, bei KM 26, meldete sich Uwe ab, ich solle alleine weiter laufen. Meine beiden Tübinger Freunde waren ca. 50 - 80 Meter vor mir, ich suchte langsam wieder den Anschluß. Meine Km-Zeiten gingen kontinuierlich nach unten, ich bin zu schnell angegangen und musste jetzt den Preis bezahlen.

Woran ich am meissten litt, war die Kälte. Meine Finger, trotz Handschuhen, waren komplett steif. Getränkebecher greifen war kaum möglich, und die Getränke waren ja auch saukalt. Der unangenehme Teil eines Marathons begann.

Ahh, und da steht Sven und feuert mich an! Das Foto, das er schießt ist so semi, aber das liegt eher an mir als an ihm! (das war nicht der unangenehme Teil). Der begann jetzt. Wir Marathonläufer verließen wieder den gemeinsamen Teil der Strecke und waren das letzte Mal 'unter uns'. Wo ich bisher sehr nach 'Außen' wahrgenommen habe, also was machen die anderen, was rufen die Zuschauer, vielleicht auch das Gespräch mit anderen gesucht habe, laufe ich jetzt gedanklich nach innen gerichtet. Wie fühlt sich der rechte Oberschenkelmuskel an (ist da ein Krampf im kommen?), meine armen Finger, ach, die ganzen Hände sind nur noch nutzlose Klumpen.

Auf einmal ist ordentlich Action auf der Strecke, bei Km 37 kommen wir wieder auf die gemeinsame Strecke mit den Halbmarathonläufern, und davon gibt es jetzt reichlich. Ich versuche mitzuschwimmen und ein gleichmäßig hohes Tempo beizubehalten. Die ganze Zeit sehe ich auch immer noch die Trikots von Gerold und Christian vor mir, mal 100, mal 80 Meter vor mir. Gehe ich noch mal hart ran und versuche sie einzuholen? Meine Erschöpfung steht dem diametral entgegen.

So, Km 40 ist jetzt auch durch, noch 2 Kurven und die Zielgerade lockt! Auf einmal ein Brüllen von hinten: "Ingo!!", "Ingooo!!", "Das ist mein Ingo!". Und dann kommt mit einer beschämenden Schnelligkeit und Leichtigkeit mein alter Kumpel Matze angerauscht, er allerdings als Halbmarathonläufer. Kurzer Austausch und die Abmachung, gleich im Ziel zu schnacken.

Jetzt biege ich auf die Zielgerade ein, von meinen HM-Rennen hier weiß ich, wie lang sie ist und pushe nicht zu früh. Einen halbwegs vernünftigen Endspurt kriege ich noch hin, ein Lächeln beim Zieleinlauf auch.  Ich komme tatsächlich kurz hinter Christian ins Ziel, habe sogar eine etwas bessere Nettozeit. Super von uns Beiden!

Die letzten Km hatte ich geglaubt, im Ziel würde ich erstmal völlig fertig sein, aber Nö, mir geht es gut und ich habe keine großen Schmerzen, nur das Bedürfnis, langsam zu gehen. Ich bin stolz und froh, dieses Rennen geschafft zu haben, trotte erstmal Richtung Verpflegung. Da war Matze wieder, kurz die nächsten Treffen abgesprochen (Training im Harz für den Hermannslauf am 23.04.) und dann schnell weiter, mir wurde kalt. Meine Hände waren noch so durchgefroren, dass ich mehrere Minuten lang erfolglos versuchte, meine Laufuhr abzudrücken. Die Flossen wollten einfach nicht.

In der Verpflegungszone freute ich mich schon sehr auf das Weizenbier, trinke aber nur eines, denn das Thema des Tages lautet: Es ist kalt Leider ist mein Freund und Arbeitskollege Andreas, der mich abholen wollte nicht am vereinbarten Treffpunkt, so stapfe ich nach kurzer Suche alleine in die U-Bahn hinunter. Und hier ist er, der süße Schmerz, wenn man nach einem Marathon Treppen heruntergehen muss.