Mein erster (Backyard)-Ultra-Lauf
Ein Bericht von Hartmuth Schlachter
Wo fängt Ultra an? Alle Läufe, die länger sind als ein Marathon – oder erst bei 50 km anfangen ? Egal, eigentlich wollte ich ja meinen ersten „Ultra“ im Rahmen des Werderseelaufes am 17. 3. 2024 laufen: 50 km Deutsche Meisterschaft.
Ich war gut trainiert und „wäre“ (hätte ,hätte, Fahrradkette) nach meinen Trainingszeiten locker Vizemeister in meiner Altersklasse geworden. Und dann habe ich mich an einem Ruhetag genau 2 Wochen vor dem Rennen auf einer Treppe am Bein verletzt – mein persönliches (Läufer)-Drama. An Laufen war nicht zu denken, auch die Deutschen Meisterschaften im Marathon im Rahmen des Hannover-Marathons 4 Wochen später kamen für mich zu früh, schließlich war ich mindesten 5 Wochen nicht gelaufen. Da kam als „Wiedereinstieg“ der Backyard am 4. Mai gerade recht.
Vom ATS startete auch noch Ingo Susemiehl-Behaghel, ein inzwischen schon erfahrener Ultraläufer, der in der Buntentors Post von Oktober 2023 über seine Backyard-Ultra-Erfahrungen berichtet hat. Von ihm holte ich mir eine paar Tipps und informierte mich im Internet über dieses noch recht neue und unbekannte Laufformat.
Ganz ungewohnt für uns als Läufer: Es geht erst einmal nicht um Geschwindigkeit und Laufzeiten, sondern darum, wer am längsten durchhält. Siegerin oder Sieger ist die- bzw.derjenige, der noch eine erneute letzte 6,706 km langen Runde schafft, für die man jeweils eine Stunde Zeit hat, wenn von den anderen Aktiven keiner mehr zu der dann letzten Runde antritt.
Es starten also alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer immer wieder zusammen nach einer Stunde zur nächsten Runde, egal, ob schnelle Läuferin oder Läufer (die haben dann eben länger „Pause“) oder langsame, die unter Umständen gleich wieder losmüssen. Das warauch im Vorfeld für mich die Hauptfrage zur Taktik: Ist eine längere Pause (zum Essen und Trinken) besser oder laufe ich so langsam, dass ich nur kurz mich erhole und gar nicht erst groß abschlaffe und dann nur schwer wieder in Gang komme?
Ich bin zwischendurch immer mal wieder kurze Strecken gegangen und kam immer so etwa nach 45 bis 50 Minuten am Start/Ziel an. Kleines Rechenexempel für euch: Wenn ich mit einer durchschnittlichen Pace von 7 min/km (ist ja nicht besonders schnell) laufe, wie lang ist dann meine Pause bis zum Start nächsten Runde?
Sehr praktisch: Dieser „Katzen Sprung's Backyard Ultra, KSBU“ fand in Bremen statt, organisiert von Jan Schrobsdorff aus Bremen. Von den etwa 70 Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmern aus ganz Deutschland hatten die meisten schon am Abend vorher ihre Zelte auf einer kleinen Zeltwiese am Ende des Weg zum Krähenberg aufgebaut, weil der Start zum Sonnenaufgang um 6:45 Uhr war – ein langer Tag bei bestem Laufwetter und für manche auch noch eine Nacht lagen vor uns.
Auch neu für mich: Man musste sich zwischen den Runden selbst verpflegen, die Läuferinnen und Läufer, bzw. ihre Supporter hatten die tollsten Gerichte mit, ich hatte ab 4:00 Uhr morgens gut gefrühstückt und kam mit meinen mitgebrachten Käsebroten und Energieriegeln und eine paar Flaschen Wasser gut „über die Runden“.
Unterwegs habe ich beim Laufen viel mit anderen Läufern geklönt, über ihre Herkunft, Lauferlebnisse, Erfahrungen usw, Läufer haben ja immer genug zu erzählen, gerade, wenn man in einem so moderaten Tempo unterwegs ist.
Immer, wenn ich nach einer Runde am Start/Ziel ankam, saß Ingo schon gemütlich in seinem Campingstuhl und wartete auf mich und den Start zu nächsten Runde. Langsam verabschiedeten sich auch die ersten Mitaktiven und nach Runde 8 war auch Ingo nicht mehr da – für ihn war dieser Backyard nur ein Vorbereitungslauf für seinen Rennsteiglauf (Supermarathon 73,9 km) am 25. Mai. In der 7. Runde überschritt ich locker die Marathondistanz, so weit war ich vorher noch nie gelaufen, mein Bein war in Ordnung und ich ließ mich zu der missverständlichen Formulierung hinreißen: „10 Runden schaffe ich noch“. In der 8. Runde fiel die 50 km-Marke – mein ursprüngliches Ziel zur Deutschen Meisterschaft. In der 8. oder 9. Runde bin ich auch einmal hingeflogen, weil ich wohl die Füße nicht mehr richtig hochgenommen hatte und so hörte ich nach der 10. Runde auf (= 67 km), bevor der Spaß in Ernst übergeht.
Die Regeln beim Backyard Ultra sind hart: Es gibt nur einen Sieger und ich, wie alle anderen Läuferinnen und Läufer, musste ein DNF (-Did Not Finish) in der Ergebnisliste des Wettkampfes lesen. Immerhin bekam man noch eine kleine vom Veranstalter Jan selbst gebastelte Medaille „DNF 67 km“ umgehängt. Trotzdem fuhr ich zufrieden am späten Nachmittag nach einem erlebnisreichen Lauftag mit dem Fahrrad und meiner restlichen, nicht aufgegessenen Verpflegung nach Hause, um am Abend kurz vor Einbruch der Dunkelheit noch einmal zum Start/ Ziel zurückzukehren. So konnte ich noch die letzten 6 Läufer mit Stirnlampen beim Start in die Nacht (16. Runde) erleben. Das Endergebnis am nächsten Morgen: Kurz vor 9:00 Uhr beendete Jörn Künstner aus Berlin nach 27 Runden (rund 180 km) das Rennen, sein letzter Begleiter, Philip Alcantara aus Köln, gab zu Beginn der 27. Runde auf. Ob man das braucht? Jeder macht sein Ding, jedenfalls kann ich mich jetzt auch „Ultraläufer“ nennen.
Unterwegs und in den Pausen hatte ich ja genug Zeit und habe einen kleinen Film über diesen Backyard gemacht; den findet ihr neben anderen Lauf- und Reisefilmen auf meinem YouTube-Kanal („Reisen bildet)“ https://www.youtube.com/@Reisenbildet/videos